Vorstellungsgespräch: Wie Sie mit eigenen Fragen möglichst viel erfahren

Ein schöner Brauch ist es, dass Sie im Vorstellungsgespräch dazu eingeladen werden, selbst Fragen zu stellen. Wie nutzen Sie diese Gelegenheit, um wirklich mehr darüber zu erfahren, wie gut die künftige Stelle zu Ihnen passt?

Nicht unvorbereitet fragen

Sie können sich sicher sein, dass der Moment kommt, in dem Sie Fragen stellen dürfen. Kandidaten reagieren häufig so:

  1. “Ich habe keine Fragen, danke.”
  2. “Spontan fällt mir folgende Frage ein: …”
  3. “Lassen Sie mich auf meiner Liste nachsehen, was wir schon alles besprochen haben und was vielleicht fehlt…”

Was ist von diesen Varianten zu halten? Nr. 1 ist höflich, zurückhaltend – und wenig selbstbewusst. Wenn Sie nicht fragen, erfahren Sie nichts und treten unter Umständen den falschen Job an. Fragen Sie!
Nr. 2 ist schlecht, denn spontan können Sie gar nicht auf die richtigen Ideen kommen. Also Nr 3?
Eine vorbereitete Liste mitbringen, geht das denn? Warum nicht? Das ist völlig legitim! Dennoch hat eine solche Liste den Nachteil, dass vorbereitete Fragen hölzern wirken. Tatsächlich verraten Sie dadurch auch einiges über sich – diese Fragen hat er/sie sich also zuvor überlegt?! – und entlocken der anderen Seite weniger Informationen. Zu einer Liste rate ich durchaus, v.a. um die wesentlichen Punkte anzusprechen. Wie aber erfahren Sie wirklich mehr? Ihre Frage könnte so starten:

“Mich würde noch interessieren, ob …”

Sie formulieren lässig, beiläufig, im Plauderton. Sie suggerieren, dass das Thema Ihnen gerade erst einfiel. Just im Moment, als Sie um eine Frage gebeten wurden. Wie aber kommen Sie zu den Inhalten?

Wie Sie sich richtig vorbereiten

Was sind nun die heiklen Punkte, auf die es wirklich ankommt? Klar ist: Ohne gründliche Vorbereitung werden Sie kaum herausfinden, was wichtig für Sie ist. Vermutlich denken Sie jetzt, ich meine das, was das Unternehmen lieber vor Ihnen verstecken will. Es gibt zwar aus meiner Sicht noch etwas Wichtigeres – aber fangen wir ruhig mit den Fallstricken des Jobs an.

Mal angenommen, das Unternehmen bietet eine Position an, die vermutlich mit Reisen verbunden ist – aber der Reiseanteil der Stelle ist nicht angegeben. Das wäre so ein Fall, den Sie klären sollten. Oder hinter einer Unklarheit bezüglich Überstunden steckt, dass sie klammheimlich erwartet werden. Glauben Sie das Unternehmen würde Ihnen dergleichen ungefragt auftischen? Gerade wenn es weiß, dass sich die Wahrheit hinter der polierten Fassade etwas ungemütlich für Sie gestalten wird? Wohl kaum! Sie müssen danach fragen. Ein Teil Ihrer Vorbereitung auf das Vorstellungsgespräch dreht sich also darum, die möglichen Nachteile der Stelle abzuklopfen. Noch ein letztes Beispiel: Wenn in der Stellenanzeige “Engagement” verlangt wird oder gar ein “stressresistenter” Mitarbeiter gesucht wird, sollten Sie genauer erkunden, wie es denn mit diesem vermehrten Einsatz bestellt ist. Ihre Recherche vorab führt Sie also hier zu den richtigen Fragen. Diese Themen ergeben sich aus dem Abgleich des Stellenprofils mit dem, was sich hinter den Andeutungen verbirgt.

Ein ganz anderer – aus meiner Sicht wichtigerer – Part betrifft Ihren Idealjob. Was ist wichtig für Sie persönlich? Was gefällt Ihnen am aktuellen Arbeitsplatz, so dass Sie es unbedingt erhalten wollen? Was möchten Sie gerne verbessern – und wie wichtig ist Ihnen dieser Punkt? Benötigen Sie im neuen Job etwa eher einen Chef, der Sie wirklich fordert? Oder suchen Sie eher nach adäquaten Weiterbildungen? Brauchen Sie als nächstes eine Chance zur Weiterentwicklung oder ganz im Gegenteil mehr Ruhe?

Ihr Gespräch verlangt hier eine ganz besonders gründliche Vorbereitung. Sie stellen also die Fragen und hören sich die Antwort an – das klingt im Grunde einfach. Doch sobald Ihre Interviewer erraten, was Ihnen am besten gefallen würde, werden Sie Ihnen genau das servieren. Deshalb ist es so wichtig, dass Sie Ihre Fragen möglichst unverfänglich stellen. Hier ist eine gute Vorbereitung gefragt: Erstens, damit Sie die entscheidenden Inhalte zur Sprache bringen. Zweitens, damit der beiläufige Eindruck gewahrt bleibt und es nicht auffällt, wie gespannt Sie den Antworten lauschen. Denken Sie an Kommissar Columbo: Wenn es wirklich entscheidend wurde, mimte er ganz besonders den trotteligen Alten und lenkte so geschickt von der Brisanz der Frage und seiner tatsächlichen Geistesstärke ab.

Versuchen Sie sich nach Ihren wichtigsten Fragen ganz besonders zu konzentrieren, damit Sie sowohl den Inhalt der Antworten aufnehmen als auch die Körpersprache und die Zwischentöne mitbekommen. Wenn Ihr zukünftiger Chef beispielsweise sagt “Klar, kann es schon mal stressig werden”, teilt er Ihnen entweder etwas Triviales mit – ein entspannter Gesichtsausdruck spricht dafür. Oder er möchte Sie auf Überstunden en masse einstimmen – wenn er Sie prüfend anschaut oder sich seine Züge verhärten, spricht dies eher für eine unkomfortable Zukunft. Vielleicht winken Ihnen zum Ausgleich Chancen auf baldige Weiterentwicklung? Fragen Sie nach!

Vielleicht haben Sie erwartet, dass ich Ihnen in diesem Post einen Fragenkatalog vorlege, der Ihre Gegenüber veranlasst, Ihnen die ganze Wahrheit über Arbeitgeber und Aufgabe zu offenbaren? Leider kenne selbst ich als Karriereberater und Psychologe keine solchen Geheimfragen, die immer passen. Der Trick besteht vielmehr darin, die Fragen situationsgerecht auszuwählen. Lesen Sie die Ausschreibung des Unternehmens genau – auch “zwischen den Zeilen”. Recherchieren Sie zusätzliche Informationen zum Unternehmen (Medien, Arbeitgeberbewertungsportale, Informationen aus Ihrem Netzwerk). Reflektieren Sie Ihr Profil und Ihre Wünsche. So kommen Sie auf die situationsangepasst richtigen Fragen.

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