"Hilfe, ich bin zu alt für den Arbeitsmarkt". Tipps für Ihre Bewerbungsstrategie.

Die Furcht, zu alt für den Arbeitsmarkt zu sein, ist weit verbreitet. Aber wann ist man “zu alt”? Was können Sie tun, um dennoch gefragt zu sein?

Was ist “zu alt”?

Im absoluten Sinne gibt es keine Altersschranke. Auch als Fotomodell können Sie mit über 80 aktiv sein – Sie bewerben dann nur andere Produkte. Als Barack Obama mit 47 Jahren als Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt wurde, galt er als besonders jung für dieses Amt. Auch Christian Wulff, mit 51 Jahren Bundespräsident, wurde als halber Youngster angesehen. Und Dieter Zetsche, der als 52-Jähriger den Vorstandsvorsitz der DaimlerChrysler AG, heute Daimler AG, übernahm, wurde ebenfalls an der unteren Altersgrenze für eine solche Aufgabe verortet.

Alter und Qualifikation

Woran liegt es, dass Obama und Zetsche mit 50 als jung gelten, andere sich aber hier schon im kritischen Alter wähnen? Sie müssen bei der Einschätzung Ihres Alters die Qualifikation berücksichtigen, die Sie im Laufe der Jahre angesammelt haben. Jobs als US-Präsident oder Vorstand kann erst verantwortlich ausfüllen, wer vier oder fünf Jahrzehnte Lebens- und einschlägige Berufserfahrung gesammelt hat. Auch jede andere Aufgabe hat ihren Vorlauf. Betrachten wir ein paar Beispiele, um dies zu veranschaulichen.

Sachbearbeiterin Einkauf. Wie alt ist sie im Idealfall? Günstig für diese Aufgabe ist ein höherer Schulabschluss, sagen wir, unsere Kandidatin hat die Fachhochschulreife erworben. Dann ist sie nach der Ausbildung zur Bürokauffrau Anfang 20. Wenn das Profil “Erfahrung im Einkauf” verlangt, ist sie mit Anfang dreißig so weit und “im besten Alter”. Ein Zusatz an Lebensjahren bringt ein wenig mehr Gelassenheit und Weitblick. Vielleicht aber auch etwas weniger Flexibilität. In Berufen mit wenigen männlichen Bewerbern, verschiebt sich diese Rechnung übrigens je nach Familienstand und Kindern leicht um zehn Jahre. Wer mit Anfang vierzig schon große Kinder hat, gilt als flexibel. Die Dreißigjährige steht eher “im Verdacht”, sich ihren Kinderwunsch erst noch erfüllen zu wollen – oder sie hat kleine Kinder. Verstehen Sie die letzten Bemerkungen nicht falsch: Ich spreche nicht von meiner Auffassung und auch nicht alle Chefs und Personalabteilungen denken so. Nur viele.

Gruppenleiter Fertigungs- und Fabrikplanung, im größeren Unternehmen, 20 eigene Mitarbeiter. Hier sieht die Rechnung anders aus. Der Abteilungschef wird das Abitur und ein abgeschlossenes Studium vorweisen müssen. Nach den ersten Berufsjahren ist er Anfang dreißig. Nun baut er seine Fachkompetenz in verantwortlicheren Positionen aus und sammelt erste Führungserfahrung (z.B. 3-5 Mitarbeiter). Entweder, er bewirbt sich jetzt, mit Mitte bis Ende dreißig. Dann ist die erwähnte Position sein nächster Karriereschritt. Oder er sammelte Erfahrung in einer ähnlichen Position (z.B. 20 Mitarbeiter) und wechselt mit Anfang vierzig als idealer Bewerber im passenden Alter.

Der Geschäftsführer eines Unternehmens mit einigen hundert Mitarbeitern wird in den meisten Fällen die fünfzig überschritten haben.

Sie sehen also: Das Alter an sich ist nicht das Problem. Es geht eher um das Alter im Vergleich zur Qualifikation.

Ihr Alter, Ihre Bewerbungschancen

Nach dem vorgegebenen Muster können Sie das Alter des idealen Kandidaten für Ihre Wunschstelle ermitteln. Absolventen der Mittleren Reife werden mindestens 16, des Abiturs mindestens 18 Jahre alt sein. Akademiker mit etwas Lebenserfahrung sind 25. Promovierte Ende zwanzig. Akademiker mit erster Führungserfahrung sind um die dreißig Jahre alt. Haben sie nach diesem Muster das Alter errechnet, haben Sie den Wert des jüngsten der möglichen Kandidaten. Da die Arbeitslosigkeit im Raum Stuttgart überschaubar ist und auch nicht alle plötzlich die Stelle wechseln wollen, werden viele der Bewerber älter sein. Schlagen Sie also fünf bis zehn Jahre zum jüngsten Alter auf. In diesem Alterspektrum liegen die jungen, idealen Bewerber.

An den obigen Beispielen verdeutlicht: Junge, qualifizierte Sachbearbeiterinnen werden Mitte zwanzig bis circa dreißig Jahre alt sein. Mit abgeschlossener Familienplanung und älteren Kindern sind sie Anfang bis Mitte vierzig Jahre alt.

Ein junger Bewerber für die Gruppenleiter-Stelle wird Mitte dreißig bis Anfang vierzig sein. Der aussichtsreiche Kandidat für die Position des Geschäftsführers, vielleicht ein promovierter Akademiker mit langjähriger (Führungs-) erfahrung an verantwortlicher Stelle wird fünfzig Jahre alt sein.

Verfallsdatum: Wann ist man zu alt?

Meine langjährige Erfahrung aus der Karriereberatung in der Region Stuttgart ist: Wirkt jemand fit und engagiert, werden die Unternehmen erst grundsätzlich skeptisch, wenn die 6 vorne steht. Mit fünfzig eine gute Stelle zu bekommen, ist in Stuttgart und Umgebung mit der richtigen Strategie kein grundsätzliches Problem.

Dennoch gilt die Faustregel: Je mehr Jahre zwischen dem aktuellen Alter und dem Zeitpunkt liegen, da ein Kandidat alle erforderlichen Ausbildungen und Erfahrungen gesammelt hat, desto schlechter. Sollten dann noch weitere Probleme wie lange Beschäftigungsdauer bei einem Arbeitgeber (z.B. zwanzig Jahre) dazu kommen, könnte das Alter schon einer – unter mehreren – negativen Aspekten sein.

Definitiv zu alt sind Sie erst, wenn Sie den Job nicht mehr machen können – aus welchen Gründen auch immer.

Anti-Aging für Bewerber

Welche Frischzellenkur für Sie die beste ist, lässt sich nicht pauschal sagen. Eine häufig angebrachte Methode ist allerdings, per Qualfizierung aktuelle, auf dem Arbeitsmarkt gefragte Fähigkeiten zu erwerben. Sie haben dann nicht nur etwas, das die Unternehmen wollen (z.B. Kenntnisse der aktuellsten Version von Catia oder in einer jüngeren Programmiersprache wie C#). Wenn beispielsweise die Daimler AG ab 2012 auf die Entwicklungsplattform NX bzw. Siemens PLM umstellt, wird dies weitreichende Auswirkungen in der Region haben.

Sie haben mit einer Weiterbildung in jedem Fall bewiesen, dass Sie flexibel und mutig genug sind, ein solches größeres Lernprojekt erfolgreich anzugehen. Das qualifiziert Sie ganz allgemein dazu, einen neuen Job mit seinen vielfältigen Lernaufgaben anzugehen. Ansonsten können Sie Ihre Beziehungen spielen lassen oder sich initiativ bewerben. Und selbstverständlich hilft die Beratung in der Stuttgarter Karriereberatung weiter. Vielleicht auch mit einem Anschreiben, das die Story Ihres Lebens – und die Vorteile Ihres Alters – richtig erzählt?

3 Kommentare

  • Toller Vergleich!

    Sicher gibt es Berufe, wo man im fortgeschrittenen Alter und mit Erfahrung einfach Vorteile hat. Aber dies bezieht sich ausschließlich auf Bereiche idR mit Führungskompetenz, Politik oder sonstige erdiente Dienstposten. Aber wie viele betrifft es denn? 1% von allen Beschäftigten.

    Und den Posten als Präsident der USA oder unseren Bundespräsidenten kann nur einer z.zt. ausüben.
    Der große Rest steht außen vor. Gerade im Mint-Bereich scheint es eine unsichtbare Altersgrenze von ca. 45. Jahren zu geben, ab den ein Bewerber, sofern er nicht über explizit besondere Qualifikationen oder Erfahrungen verfügt, raus aus dem Bewerbungsverfahren ist. Es gibt genug Unternehmen, die stellen für normale Positionen generell keine über 45 ein.
    Nicht jeder “Ältere” möchte oder kann eine Führungsposition übernehmen, zumal diese auch zahlenmäßig gar nicht in der Menge vorhanden sind.
    Auch sieht es mit dem Arbeitsmarkt nicht überall so rosig aus, wie in einigen wirtschaftlichen Zentren. Da werden solche Stellen nicht mal angeboten – nichts mit Fachkräftemangel,! Ihre Chance als 50+ können Sie sich ausrechnen – Sie haben keine.

    • Hallo und vielen Dank für Ihren Kommentar,

      Sie haben völlig Recht: Eine persönliche Erfahrung, kann Ihnen niemand ausreden und ein allgemeiner Artikel kann in der Regel nicht darüber hinweg trösten. Für den Einzalfall kann nur die persönliche Karriereberatung weiter helfen. Blogartikel sind nunmal allgemein, auch wenn ich mit den Beispielen versucht habe, mehrere Fälle und Berufsbereiche abzudecken.
      Ich teile auch absolut Ihren Ärger darüber, dass Verbände wie der VDI nach mehr Ingenieuren schreien und gleichzeitig einige über 50 arbeitslos sind. Wobei es auch immer wieder Chancen gibt, die man selbst herbei führen kann. Einige sind auch in diesem Artikel angesprochen (Qualifizierung), andere sind bekannt (Bewerbungsstrategie), aber müssen auch wiederum im Einzelfall konkretisiert werden.

      Beste Grüße,

      Christoph Burger

  • Ich bin gerade 48 Jahre alt geworden, fühle mich jedoch weite eher wie 30 als wie 40, geschweige denn wie 48. Meine Tätigkeit in der Biotec-Branche erfordert permanente autodidaktische Weiterbildung, auf biologisch-chemischem, aber auch mathematisch-physikalischem Gebiet. Was fremdsprachliche Kenntnisse betrifft, so reicht es bei uns aus, fließent Englisch zu sprechen. Trotzdem fand ich es sinnvoll, meine Spanisch-udn Französischkenntnisse schrittweise zu verbessern. All das sas sehe ich nicht als Last oder Ärgernis, sondern als Chance. Weiterhin bin ich begeisterter Sportler und mache im Kraft-und Ausdauerbereich jedem gut trainierten 20-30-jährigen etwas vor. Das hat schon so manchen dieser Boyz in Verzweiflung gebracht, wenn ihm auf dem Rad/im Wasser die Puste ausging, oder die Hantel sich partout nicht von seinem Sternum ‘erheben’wollte.
    Alaso: Wer mich als ‘zu alt’ bezeichnet, dem empfehle ich, freiwillig auf die Bezeichnung ‘Mensch’ zu verzichten! Weiterhin sollten all jene Per(ver)sonalchefs, die Leute meines Alters aaus eben diesem Grund ablehnen, eine öffentliche Entschuldigungscampagne starten! Auch das ist eine Chance, diesmal für die Per(ver)sonalchefs.

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