Arbeitszeugnis-Check: Das Ganze und seine Teile

Was bringt ein Zeugnis-Check – und warum gehen Personaler und Karriereberater anders vor, als die Profis des Zeugnisbewertens?

Wie Sie bei Erhalt eines Arbeitszeugnisses vorgehen sollten

Das Arbeitszeugnis dokumentiert Ihre persönlichen Beiträge zum Erfolg einer Organisation. Was haben Sie all die Jahre zum Gelingen beigesteuert? Haben Sie Ihren Job gut gemacht oder gar mehr als gut? Waren Sie persönlich ein Teamplayer oder eher ein Querulant? Weil das Arbeitszeugnis über all diese Aspekte Auskunft gibt, ist es ein wichtiges Dokument innerhalb Ihrer Bewerbung.

Alle Arbeitszeugnisse gehören in die Bewerbung – sie verjähren insofern nie. Aus diesen Gründen sollten Sie ein neu erhaltenes Exemplar kritisch prüfen. Sind dort Rechtschreib- oder Grammatik-Fehler zu entdecken? Wurden alle Aspekte Ihrer Tätigkeit erwähnt? Stimmt die Bewertung? Sollten Sie dazu nicht alleine in der Lage sein – beanspruchen Sie bitte Hilfe. Einige Wochen nach Erhalt des Zeugnisses haben Sie noch die Möglichkeit, Fehler korrigieren zu lassen. Jahre später wird das schwierig.

Bewertung eines Arbeitszeugnisses in der Praxis

Es gibt auch Zeugnisse, die aus Gefälligkeitsgründen gut ausfallen: “Wenn Sie mich schon rauswerfen und ich den Abgang leise gestalten soll, dann schreiben Sie mir wenigstens ein gutes Zeugnis!” – “Aber selbstverständlich Herr x!”. Manchmal ist der Chef zu faul, sich selbst zu bemühen “schreiben Sie bitte Ihr Zeugnis selber – ich habe keine Zeit dazu”. Ferner soll es Personalabteilungen und Chefs geben, die das Zeugnisschreiben nicht beherrschen. Die Dokumente sprechen unbeabsichtigt gegen Sie.

Personalentscheider wissen all das – und nehmen Zeugnisse meist nur partiell ernst. Je größer das Unternehmen, das die Arbeitsleistung und das Verhalten am Arbeitsplatz bezeugt, desto wichtiger wird das Dokument. In jedem Fall interpretieren Personalentscheider eine Bewerbung am Stück: Wie ist der Kandidat als Gesamtpaket einzuschätzen? Denn das Ganze ist mehr als seine Teile. Eine Kandidatin ist immer mehr, als die Summe ihrer Arbeitszeugnisse.

Die Grenzen des Zeugnis-Checks

Sie können Ihre Zeugnisse von darauf spezialisierten Anbietern bewerten lassen. Vor dem Hintergrund des bisher Gesagten wird aber klar, dass Sie damit noch nicht wissen können, wie attraktiv Ihr Angebot für den Arbeitsmarkt ist. Dazu zwei Beispiele.

Vor Jahren arbeitete ich mit einem großen Mittelständler zusammen, der in allen Arbeitszeugnissen “alles erdenklich Gute” wünschte. In Zeugnisbüchern steht, dass dies eine ironische Formulierung ist und das Zeugnis komplett entwerten kann. Der Arbeitgeber meinte das zwar nicht so – aber woher soll man das wissen, ohne  nachzufragen? Ein anderes Beispiel: Neulich entdeckte ich einen Schreibfehler an entscheidender Stelle. Ausgerechnet in jenem kurzen Satz, der die Gesamt-Leistung beschrieb, fand sich der Lapsus. War das reine Absicht, um ein verstecktes Signal an die Zeugnisleser zu senden oder nur ein Flüchtigkeitsfehler, der nichts zu sagen hat? Der Satz alleine und nicht einmal das Zeugnis als Ganzes geben hier Auskunft.

Personaler lesen Zeugnisse – wie?

Diese Frage beantwortet ein Personaler im Zusammenhang der gesamten Bewerbung. Stimmt der Lebenslauf? Wie fallen die anderen Noten aus? Wie präsentiert sich der Bewerber? All diese Dinge fließen in die Bewertung mit ein. Statt einen Zeugnis-Checker zu beauftraggen, macht sich die Personalabteilung selbst ein Bild. Und klar ist: Im Zweifel landet ein Bewerber auf dem Absagestapel. Ohne langes Aufheben.

Führt daher ein Zeugnis mit Makel automatisch zur Absage? Keineswegs. Sollte trotz Ihrer sorgfältigen Bewertung des Zeugnisses eine Interpretationslücke verblieben sein, wird Ihre Chancen-Ampel keineswegs unwideruflich auf “rot” springen. Die Personalabteilung wird sich stattdessen eine Anmerkung machen: Der vermutlich gute Kandidat sollte im Vorstellungsgespräch zu diesem Punkt befragt werden. Sicherheitshalber.

Gute Berater lesen Arbeitszeugnisse so wie Personaler. Natürlich gehört es zu den Kompetenzen der Karriereberater, Zeugnisse zu bewerten. Aber sie versetzen sich zudem in die Lage der Bewerbungsempfänger und beurteilen wie diese das Gesamtpaket.

Ein kompetenter Arzt wird das Herzproblem erkennen und nicht die in den Arm ausstrahlenden Schmerzen als Oberarmproblem sehen. Ebenso wird ein Karriereberater vorgehen. Ein Schreibfehler im Zeugnis könnte in der Praxis damit beantwortet werden, dass der Lebenslauf überarbeitet wird. Warum?

Das Ganze ist mehr als seine Teile.

Nach oben