"Scheiß Zeitarbeit" – ein Beitrag zur Meinungsbildung

Im Umgang mit der Zeitarbeit kann man es so machen, wie die drei Affen. Augen, Ohren und Mund zuhalten. Man wird allerdings feststellen, dass sie immer noch da ist, wenn man wieder hinschaut. Wie also geht man damit um?

Bewerbung einer angelernten Fachkraft

Sicher gibt es Schlimmeres als das Folgende. Dennoch möchte ich hier einen konkreten Fall schildern. Eine Mitarbeiterin in meiner Transfergesellschaft war – im Gegensatz zu den meisten Kolleginnen – offen für das Thema Zeitarbeit. Ihren gelernten Beruf konnte sie in Deutschland nicht ausüben und ist daher als angelernte Produktionsfachkraft aktiv. Eine Zeitarbeitsstelle muss sie schon aus Gehaltsgründen nicht annehmen. Aber sie denkt an die Zukunft und wollte dem Thema – anders als die drei Affen – aufgeschlossen begegnen. Also bewarb sie sich auf eine Stelle, in der ihre speziellen Fertigkeiten gefragt waren und ein Lohn ab 9 Euro angekündigt war.

Ein skandalöses Erlebnis bei einem Zeitarbeitsunternehmen in der Region Stuttgart

Meine Beschäftigte wurde zum Vorstellungsgespräch eingeladen – wie sie meinte. Die Mitarbeiterin einer bundesweit bekannten Zeitarbeitsfirma, für die “der Mensch im Mittelpunkt” steht, ließ sie erst einmal zwanzig Minuten warten. Dann machte sie sich ohne lange Vorrede daran, die Daten der Bewerberin aufzunehmen. Die Bewerberin stand zunächst Rede und Antwort. Als nach ein paar Minuten absehbar war, dass das so weiter gehen würde, bat sie darum, erst einmal über die Stelle zu sprechen, um die es geht. Ihre Gesprächspartnerin ging nicht auf ihren Wunsch ein. Jedoch kam zwischen den Zeilen heraus, dass es die konkrete Stelle nicht gibt. Weder der Arbeitsplatz mit den angegebenen Inhalten und am angekündigten Ort, noch der dazugehörige Bruttolohn waren vorhanden. Zur Frage nach dem Lohn kam die Antwort: Wenn es nur acht Euro sind, müssen Sie das akzeptieren. Die Art der Tätigkeit gab es immerhin prinzipiell bei verschiedenen Kunden des Unternehmens, zu welchem Lohn auch immer. Allerdings waren die möglichen Stellen in der Region Stuttgart verteilt, keineswegs am ausgeschriebenen Ort.

Da wurde die Personaldisponentin pampig

Meine Beschäftigte ist aber nicht irgendwer – sondern ein Mensch. Ein Mensch mit Umgangsformen und einem ganz normalen Verständnis von Abläufen, beispielsweise von Vorstellungsgesprächen. Sie bat um Informationen und darum, sich die Sache erstmal zu überlegen. Daraufhin wurde die Mitarbeiterin des Zeitarbeitsunternehmens pampig. Sie forderte eine Entscheidung: Wollen Sie nun bei uns aufgenommen werden und Bescheid bekommen, wenn wir etwas Passendes haben, oder nicht?

Als sie die Antwort “nein” erhielt, strich die Mitarbeiterin des Zeitarbeitsunternehmens den Personalbogen durch, stand auf und verließ den Raum. Zurück ließ sie die unwirrschen Worte: “Sie haben meine Zeit gekostet!”.

Worauf müssen Sie sich bei Zeitarbeitsunternehmen einstellen?

Klar, der beschriebene Fall ist schockierend. Böse Worte über “Sklavenhandel” und andere, die viele im Munde führen, werden hier verständlich. Es mag einerseits ein heftiger Vorfall sein. Andererseits zeigt der Fall Grundzüge, die in der Branche häufiger vorkommen:

  • Fake-Anzeigen sollen Bewerber anlocken
  • Bewerbern wird der nötige Respekt versagt

Neben den noch schlimmeren Erzählungen, die kursieren, gibt es auch positive Ausnahmen. Mir ist ein Unternehmen bekannt, von dem ich aus Personalabteilungen der Kunden sehr Positives gehört habe und dessen Kununu-Bewertung gen 5 tendiert. Ein sensationeller Wert in diesem Bewertungsportal, den kaum ein Unternehmen, welcher Branche auch immer, erreicht. Während meine Beschäftigte fürs erste die Nase voll von Zeitarbeitsunternehmen hat und diese Meinung sicherlich nicht für sich behalten wird, bleibt die Frage: Wie geht man sinnvoll und praktisch im Sinne der eigenen Karriere in Stuttgart und Region mit Zeitarbeit um?

Drei Faktoren bestimmen, ob Ihr Kontakt zur Zeitarbeitsfirma positiv wird

Sollte Zeitarbeit für Sie generell in Betracht kommen, machen Sie es anders als die drei Affen. Wenn Sie wollen, werden Sie politisch aktiv, wenn Sie Zeitarbeit insgesamt für falsch reguliert halten. Und im übrigen: Bilden Sie sich Ihre  Meinung in Bezug auf Ihre eigene Karriere. Machen Sie sich dazu klar: Welches Erlebnis Sie persönlich beim ersten Kontakt mit der Zeitarbeitsfirma erwartet, wird durch drei Faktoren bestimmt:

1. Wie rennommiert das Unternehmen insgesamt ist
2. Wie gut die Niederlassung funktioniert
3. Mit welchem Mitarbeiter der Niederlassung Sie zu tun haben

Wenn alle drei Punkte positiv sind, wird es Ihr Eindruck auch sein. Fällt eines der Standbeine ab, kippt auch der Eindruck den Sie gewinnen. Passt aber alles, gilt es, den offerierten Arbeitsvertrag und die gegebenen Informationen (welche Tätigkeit bei welchem Unternehmen wie lange) genau zu prüfen, die Chancen (z.B. auf Übernahme beim Kunden) gegen die Nachteile abzuwägen.

Selbstverständlich spielt außerdem eine große Rolle, ob Sie als Ingenieur bei einem spezialisierten Dienstleister vorsprechen oder als Ungelernter bei einem allgemeinen Personalleasing-Unternehmen. Im ersten Fall treffen Sie Ihre Gesprächspartner von vornherein auf Augenhöhe. Im letzten Fall kann es leichter passieren, dass Sie sagen ” Schei- Zeitarbeit”. Das hätte meine Beschäftigte auch getan. Wenn sie für solche Kraftausdrücke nicht viel zu fein wäre. Sie kann sich nämlich benehmen – offenbar im Gegensatz zu ihrer Gesprächspartnerin in dieser Filiale in diesem Zeitarbeitsunternehmen der Region Stuttgart.

2 Kommentare

  • Scheint nicht nur im Raum Stuttgart so zu sein. Auch in Norddeutschland mache ich die gleichen Erfahrungen. Ich rate meinen Klienten immer, sich auf den ersten Eindruck und das Bauchgefühl zu verlassen. Begegnet man einem Personaldienstleister, der sich Zeit nimmt, zuhört, nicht nur stur seinen Fragebogen durcharbeitet sondern auch ein richtiges zugewandtes Gespräch führt, hat er in der Regel Interesse an seinem Mitarbeiter. Die Chancen sind groß, dass dieses Interesse auch an die Auftragsfirma weitergeleitet wird. Ein guter Joib mit großer Übereinstimmungen der jeweiligen Wünsche ist wahrscheinlich. Je oberflächlicher hingegen die Gesprächsatmosphäre bei der Zeitarbeitsfirma, desto weniger Tiefgang ist auch beim anschließenden Verleih zu erwarten.

    • Guten Tag Herr Flott,

      danke für Ihren Kommentar! Vermutlich ist es im Osten und Westen auch so …
      Der Rat, den Sie Ihren Klienten geben, hilft bestimmt auch überall weiter. Zeit ist heute eine immer wichtigere Ressource.

      Beste Grüße,

      Christoph Burger

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