Anschreiben: Besser nicht als Powerfrau bewerben

Besonders wenn Sie die letzten zehn Berufsjahre ohne Bewerbung bestritten haben, stellen Sie sich diese Frage: Wie bewirbt man sich heute richtig? Vor allem das Anschreiben bereitet Kopfschmerzen. Durchaus zu Recht – denn mit einem einzigen Fehler können Sie schnell zwanzig Jahre Kompetenz zunichte machen.

Viele handfeste Argumente und ein Lapsus

Beispielsweise dieser Kunde: Er hatte ein Studium in einem der begehrten MINT-Fächer abgeschlossen. Über eine Zwischenstation kam er zu einem ebenso anspruchsvollen wie angesehenen Arbeitgeber. Dort stieg er zur Führungskraft auf. Nun wollte er wechseln und schrieb die ersten Bewerbungen seit Jahren. Aber wie macht man das heute? Bei seiner Version fiel mir besonders ein Punkt ins Auge: Eine spezielle Formulierung im Anschreiben. Er fand sie ganz besonders peppig – und das war sie auch. Das Problem: Sie war es einen Tick zu viel und entpuppte sich deshalb als No-Go. Buchstäblich ein gewagter Satz machte hier zwanzig Jahre Berufserfolg zunichte! Im Grunde ein unerhörtes Drama,- das aber sehr leicht passieren kann. Wie ein einziger Fehltritt am Berg an einer blöden Stelle.

Gewagte Formulierungen im Anscheiben

Als Karriereberater sehe ich das öfter. Um Ihnen eine Idee zu geben, was ich meine: Da sucht beispielsweise eine “Powerfrau” ihre “Powerfirma”. Oder ein “Allroundtalent” bewirbt sich. Oder ein “Mann für alle Fälle”. Vielleicht auch eine “Familienmanagerin”. Solche Formulierungen taugen als Fernsehformat-Titel von Privatkanälen, aber in seriösen Bewerbungen haben sie nichts verloren. Extreme Wendungen sind in diesem Kontext immer heikel. Das ist wie beim Extremklettern: Zwischen dem fast-richtigen und dem richtigen nächsten Schritt liegt der Unterschied von Erfolg oder Absturz.

Anders gesagt: Wenn Sie zu ungewöhnlichen Formulierungen greifen wollen, sollten Sie in sprachlichen Nuancen bewandert sein. Oder sich von einem kompetenten Bewerbungstexter unterstützen lassen.

Faustformel: Risiko gehen bei geringen Chancen

Als Faustformel gilt: Wer solide qualifiziert ist und gute Chancen auf die Einladung zum Vorstellungsgespräch hat, sollte kein Risiko mit unüblichen Worten eingehen.

Wer sich dagegen ohnehin geringe Chancen ausrechnet, darf zu riskanten Formulierungen greifen. Wenn sich dann 80 Prozent durch eine Wendung abgeschreckt fühlen, aber sie 20 Prozent anzieht, haben Sie alles richtig gemacht. Statt 99 % Absagen wie bisher, können Sie mit 20 % Zusagen rechnen. Dennoch bleibt das Vorhaben heikel. Eine solche Text-Passage zu kreieren, ist eher Profi- als Laien-Geschäft.

Zusammenarbeit mit einem Karriereprofi: Wie?

Damit meine ich allerdings nicht, dass Sie einfach einen Karriereprofi aufsuchen und sagen sollen “machen Sie mal”. Grundsätzlich habe ich persönlich keine Einwände, beim Anschreiben direkt zu helfen. Dennoch gilt die Leitlinie: Ein professioneller Helfer sollte möglichst wenig von sich aus tun. D.h. Im Idealfall bekommen Sie behutsam Unterstützung für Ihre eigenen Ideen.

Generell sollte die Bewerbung keinesfalls der erste Schritt der Zusammenarbeit sein: Jede solide Karriereberatung beginnt mit einer Bestandsaufnahme, d.h. bei mir in der Regel mit einem zweistündigen Treffen (diverse Tests und ein gründliches Kennenlernen inklusive). Meine Rolle gleicht der eines Bergführers, der zunächst die Kletterfähigkeiten des Kunden oder der Kundin prüft und beim Akklimatisieren hilft. Ohne gründliche Vorbereitung geht es nicht. Aber dann gelingen auch anspruchsvolle Touren – bis hin zum Feinschliff im Anschreiben, oder, um im Bild zu bleiben, dem passenden Gipfelfoto.

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