Berufswahl: Was professionelle Unterstützung bringt

Wenn junge Leute wissen, was sie werden wollen, ist die Berufswahl einfach. Häufig gerät sie jedoch zur Quälerei, für die Betroffenen ebenso, wie für die Eltern. Einmal mühsam erkämpft, folgt der Entscheidung oft sogar noch größeres Unglück, wenn sie falsch war. Was kann hier professionelle Unterstützung bringen?

Der selbstbestimmte Weg

Der erste, einfache Fall ist die vollständige Überzeugung, mit genau dieser einen Berufsausbildung oder diesem Studium das Richtige zu tun. Mein Profi-Statement dazu lautet: Laufenlassen!

Warum? Ist es nicht möglich, sich selbst dann zu täuschen, wenn man von etwas überzeugt ist? Schon, selbstverständlich begeben sich manche trotz aller Entschiedenheit aufs falsche Gleis. Aber dann heißt es: Daraus lernen. Denn wir haben es mit zwei verschiedenen Themen zu tun. Das eine ist die inhaltliche Wahl (die falsch sein kann). Das andere ist die persönliche Reifung. Diese kann sich nur vollziehen, wenn man eigene Entscheidungen trifft und die Konsequenzen erlebt. Ein gewisses Maß an irrtümmlichen Entschlüssen ist hier notwendig. Persönliche Reife ist häufig höher zu gewichten, als fehlerfrei durchs Leben zu gleiten.

Vielleicht haben Sie als Elternteil da keine so lockere Sicht der Dinge – was ich gut verstehen kann. Sie sagen beispielsweise, “mein Junger weiß schon, was er will, aber ich halte seine Entscheidung für vorschnell. Sie beruht auf zu wenigen Erfahrungen”. Dann kann es tatsächlich sein, dass ein paar mehr Informationen dazu führen würden, dass Ihr Sohn einen ganz anderen Studiengang favorisiert. Das wäre so zu behandeln, wie der andere Fall: Die Entscheidung fällt offensichlich schwer.

Onkeltipps und Standardtests

“Am besten wirst du Arzt” heißt das – empfehlenswerte – Buch einer Kollegin, das Eltern kompetent für die Beratung ihrer Kinder machen will. Der Aufwand für die Eltern, den die kompetente Begleitung ihrer Kinder verlangt, ist allerdings enorm. Der obige Titel des Werks zeigt, was andernfalls heraus kommt: Eine allzu leichtfertige Aussage, vielleicht von einer gutwilligen Tante oder einem netten Onkel getroffen, die mal schnell ihre Lebenserfahrung einstreuen wollen. Die Tragweite einer Berufsentscheidung verlangt mehr Mühe!

Angenommen, Sie scheuen den erforderlichen Aufwand grundsätzlich nicht: Wissen Sie ausreichend über den heutigen – und zukünftigen – Arbeitsmarkt Bescheid? Kennen Sie die Berufe und ihre Entwicklung? Selbst über die Talente der eigenen Kinder kann man sich leicht täuschen.

Hilft Ihnen beiden da nicht ein Test? Sicher, so ein Test bietet Vorteile. Aber einem Testergebnis sollten Sie nicht blind folgen. Das will ich an meinem eigenen Beispiel verdeutlichen: Ich bin leidenschaftlicher Psychologe und würde mein Studium jederzeit wieder wählen. Die einschlägigen Tests (bspw. hier) ergeben aber andere Favoriten-Berufe. Ein typisches Ergebnis. Selbstverständlich erhalte ich auch die Empfehlung, Psychologie zu studieren. Aber das Programm meint, dass die Passung hier um einige Prozentpunkte niedriger liegt, als bei anderen Berufen. In der Konsequenz hätte ich eben nicht Psychologie studiert. Das Fach findet sich unter den “hundert am besten geeigneten”. Das bedeutet immerhin eine drastische Reduzierung der Optionen – in Anbetracht der über 10.000 verschiedenen Studiengänge. Aber alleine am Testergebnis orientiert, hätte ich bei einem der Top-Ten-Angeboten zugegriffen.

Wohlmeinende Tipps, die im wesentlichen auf die eigene Erfahrung zurückgreifen helfen also selbst, wenn sie um Testergebnisse angereichert werden, nicht wirklich weiter. Das schlimmste Ergebnis einer schwierigen Berufswahl sieht dann ungefähr so aus: Ich weiß nicht, was ich machen soll. Also studiere ich mal xy, das könnte vielleicht irgendwie passen. Drei Monate später reift die Erkenntnis: Passt doch nicht! Also poppt, während man schon immatrikuliert ist, die leidige Studienwahl erneut auf. Jetzt fragt man sich: Soll ich das weitermachen? Soll ich auf die nächste Prüfung lernen? Eine quälende Zeit, die fast immer mit einem Studienabbruch endet.

Allein das finanzielle Ergebnis ist desaströs. Selbst bei einem Abbruch schon im ersten Jahr ergibt sich eine Summe von 12 Monaten mal 800 Euro (Lebenshaltungskosten) plus 12 Monate mal 2000 Euro (entgangener geschätzter Netto-Verdienst im ersten Jahr nach dem Studium) von rund 35.000 Euro! Vielleicht denken Sie nun, kein Problem, das investiere ich gern in die Ausbildung meines Kindes. Ja, wenn es denn so wäre. Aber wie oben beschrieben, handelt es sich eben nicht um eine sinnvolle Investition, sondern um einige Monate Quälerei, die Sie damit finanzieren.

Professionelle Berufsberatung

Professionelle Berufsberatung nutzt Tests, aber folgt ihnen nicht rigide. Verschiedene andere Datenquellen werden hinzugezogen, beispielsweise die Analyse des Werdegangs, die Abfrage der Schulfächer (nicht nur die Noten), berufliche Ideen aus dem Umfeld, Hobbys, Erfahrungen in Praktika, die Ressonanz auf bestimmte Berufsfelder oder konkrete Berufe, Persönlichkeitstest, persönlicher Eindruck. Die möglichen Ideen werden erfasst und dann nach und nach und systematisch immer weiter reduziert. Weitere Recherche, die zunehmend näher ans Berufsbild heran rückt, hilft wesentlich dabei, die “heißesten” Kandidaten untereinander antreten zu lassen.

Dabei geht es nicht nur um Ideen, “was ich am tollsten finde”, sondern auch um konkrete Fragen zum Arbeitsmarkt. Was kann ich mit einem bestimmten Studium werden? Beispielsweise könnte das Fach Jura nicht nur in Berufe wie Rechtsanwalt, Staatsanwalt, Richter führen, sondern auch in die Politik, die Verwaltung oder die Personalabteilung. Umgekehrt: Was muss ich tun, um etwas Bestimmtes zu werden? Dass ein Medizinstudium v.a. Paukerei ist, dürfte bekannt sein. Aber wie schlimm ist der Statistikanteil eines Psychologiestudiums? Wie kann man in den neuen Beruf des Datenscientisten oder des Interfacedesigners gelangen? Wie sieht es mit den erwartbaren Verdiensten in solchen Berufen aus? Mit zwanzig kann man nicht ohne weiteres abschätzen, wie viel Geld für die eigenen Lebenswünsche nötig ist. Welches Berufsfeld erwartet mich in der Praxis? Erzieher im Kindergarten beispielsweise brauchen eine sehr hohe Lärmtoleranz. Wenn man die nicht mitbringt, hilft die größte Begeisterung für Kinder nicht weiter. In welchem Fall bietet es sich an, erst einmal um die Welt zu reisen, ein Au pair oder ein Freiwilliges Soziales Jahr einzulegen? Solche Lebenserfahrungen taugen häufig mehr, als “irgendwas” zu studieren.

Wenn Sie diese Fragen nicht selbst beantworten können, ist das kein Wunder. Da ich Karriereprofi bin, kann ich dafür weder Simulationsrechnungen durchführen, noch beherrsche ich Konstruktionen mit CATIA, verstehe wenig von Versicherungsmathematik und Controlling-Kennzahlen – oder womit immer Sie Ihren beruflichen Alltag bestreiten. Wenn Sie die Berufsentscheidung Ihres Kindes (oder die eigene) umtreibt, empfehle ich drei Ansätze.

  1.  Meine Blogserie zur Berufswahl
  2. Das Buch “Am besten wirst du Arzt” von Svenja Hofert (für Eltern)
    oder “Was soll ich studieren? Alle Antworten für die richtige Studienwahl” von Patrick Ruthven-Murray (für AbiturientInnen)
  3. Kontaktieren Sie mich, um über eine Berufsberatung zu sprechen
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